Da räumst Du jahrelang Dein Leben auf, befreist Dich aus widrigen Umständen, toxischen Beziehungen, von verschiedenen toten Pferden und nicht zuletzt vom beruflichen Todesstern, ziehst entzückende Energiebällchen auf, bis sie so groß sind, dass das Zusammenleben mit ihnen ausgesprochen Spaß macht, angelst Dir den Chéri Deiner Träume sowie den coolsten Job der Welt und hast es endlich so richtig, richtig schön – und zack! – hast Du einen fetten, fiesen Knoten in der linken Brust auf ein Uhr. Das Leben ist mal wieder eine Bitch.
„Schreiben Sie!“
Gespürt habe ich das Ding erstmals vor den Sommerferien bei Dehnübungen (Yoga kann Leben retten), am Ende der Ferien ist klar: Ich habe Brustkrebs, ein sogenanntes „Mammakarzinom“, welch Ironie. So werde ich vorstellig bei Professor Huhn am Lingendinger Brustzentrum, der mir nicht nur die Basics meines neuen Lebens in Absurdistan vermittelt, sondern mir auch tief in die Augen schaut und rät: „Schreiben Sie! Sie sehen so aus, als könnte Ihnen das helfen.“ Wie recht er doch hat! So beschließe ich also auf Anraten meines Arztes, über die Achterbahnfahrten in diesem neuen Universum zu berichten und meine werten Mitmenschen auf diese Weise nicht nur auf dem Laufenden zu halten, sondern sie nach Möglichkeit auch noch zu unterhalten.
Wer noch nie Krebs hatte, kann nur erahnen, in welcher Maschinerie man sich da plötzlich wiederfindet. Eben noch ein entspanntes Leben – und schwupp, hängst Du im MRT, CT, in der Nuklearmedizin und schließlich am Chemo-Tropf. Als ich erfahre, dass der Tumor ziemlich groß, sehr aggressiv und schnellwachsend ist und ich daher zunächst eine monatelange Chemotherapie, danach eine OP und als Sahnehäubchen noch eine Bestrahlung bekommen werde, verbringe ich zunächst einige Tage in ungläubiger Schockstarre. Das kann nicht sein, das ist einfach zu absurd. das kann einfach nicht sein. Recht schnell bricht sich allerdings unbändiger Zorn Bahn – was, bitte, soll der Scheiß? WTF?!? Ich empfinde es als bodenlose Unverschämtheit, mir dermaßen an den echt gut rollenden Karren zu fahren. Ich fluche wie ein Fuhrknecht und stelle mir den Scheißknoten als Sandsack vor, auf den ich eindresche, als gebe es kein Morgen. Dieser elende Drecksack. Ich würge ihn, ich beschimpfe ihn und mehrmals täglich drehe ich ihm den Hals herum.
Ich und mein Port
Was mir bei dieser Imaginationsarbeit helfend zur Seite steht, ist mein nagelneues Premium-Portsystem: ein Venenkatheter, der mir jüngst implantiert wurde und stark an einen Enterprise-Kommunikator erinnert („Computer!“). In dieses Ding unter meinem rechten Schlüsselbein wird jetzt, um meine „wunderschönen Venen“ (O-Ton Chirurgin) zu schonen, bei jeder Chemo-Runde die Infusion angeschlossen. Das bedeutet, dass der Good Guy rechts (Port) als mein buchstäblich leibeigener Cop ab jetzt regelmäßig den Bad Guy links auf ein Uhr (Tumor) mit fiesen Zytostatika beschießen wird, immer schön auf die zwölf. Gemeinsam werden der Port-Cop und ich dem miesen Drecksack den Garaus machen, aber sowas von. Der Tumor ist vielleicht aggressiv, der Port und ich sind aggressiver – nimm das, Du Biest!
Am Abend vor der ersten Chemo geht es wieder abwärts in der Achterbahn und ich liege weinend in Chéris Armen und jammere, dass sich das anfühle, als gehe man zur eigenen Hinrichtung. Chéri tröstet: „Na ja, es sind ja viele kleine Hinrichtungen.“ Auch wieder wahr. Und als Horny Tawny mich später noch richtigerweise darauf hinweist, dass ja immerhin nicht ich, sondern der Dreckskrebs hingerichtet werde, bin ich fürs Erste ausgesöhnt und kann es schier nicht mehr erwarten.
Dearest Tawny, vielen Dank für die guten Wünsche! Gegen glückverheißende Zweierkombinationen, Professor Huhn an Bord, die Huberin mit ihren Paarhufern UND echt üble Chemiecocktails hat der Drecksack keine Chance. Ein Hoch auf den Port und immer schön das Krönchen richten!
Liebste aktuelle,
ich bin scheißfroh, dass sich der Bad Guy beim Yoga entlarvt hat! Ich hoffe, dass Du mit weiteren glückverheißenden Zweierkombinationen (Hotti und Lotti, Chéri und KV, den beiden Katzen, Fanta und Dr. Sprite) diesen ganzen ABFUCK okayish erträgst – mach das verfluchte Drecksding fertig! Möge der Port mit Dir sein und gute Macht!
Eine Leserin
Liebe Franziska, nein, Krebs haben ist nicht witzig. Aber ein galgenhumoriger Blick auf diesen Irrsinn, Melk-Ausflüge zu Ziegen und Schafen sowie warme Füße und Brot wirken hoffentlich Wunder und helfen jedenfalls, oben zu bleiben. Vielen Dank Dir :)!
Da klingt Krebs haben richtig witzig.
Aber das ist das beste Heilmittel: Humor, oder auch Galgenhumor.
Bis nachher,
Franziska.