Good News oder: Schrumpfsack

Go to hell!
Go to hell!

Beim dritten Ausflug in die Onkologische Tagesklinik habe ich keine Lust mehr. Ich weiß jetzt, wie das Spielchen läuft: Chemo-Keule, fünf bis sechs Tage Siechtum, eine Woche Sich-in-die-Welt-Zurückkämpfen, nächste Chemo-Keule und alles wieder von vorne. Ich hadere damit, aus meinem geliebten Alltag gerissen und mit Ansage lahmgelegt zu werden. Mit denkbar schlechter Laune entsteige ich meiner Kutsche und knurre die Ärztin an, als sie meinen Port ansticht (ich hasse es). Doch dann wendet sich das Blatt. Eben diese Ärztin, deren Schildchen immer verdeckt ist, sodass ich ihr leider keinen schönen Namen geben kann, verkündet, dass heute erstmals nach Beginn der Chemotherapie der Drecksack geschallt und dies nun alle drei Wochen geschehen werde, um zu sehen, ob die Therapie überhaupt anspricht und das Mistding schrumpft. Jetzt wird es wieder interessant. Vielleicht zieht sie diesen Joker auch nur wegen meiner finsteren Miene, aber egal.

Die Chemo zieht sich heute. Bei mir gibt es „Druckalarm“, weil die Nadel im Port nicht richtig sitzt, sodass die Infusionen nicht reinlaufen. Die Technik hupt und piept, und die grundgeduldigen Schwestern stehen sich an meinem Infusionsgerät die Beine in den Bauch, um das Ding ordnungsgemäß einzustellen. Am Ende müssen die Ärztin geholt und der Port neu angestochen werden. Die schaut mich mit hochgezogener Augenbraue an und meint: „Das mache ich nur, wenn Sie mir versprechen, nicht zu schreien.“ Deal. Ich knurre nur kurz. Sie fragt: „Sie hassen mich, oder?“ Die Ärmste, wahrscheinlich denkt sie, ich fresse sie gleich.

Ja, wo ist er denn?

Danach sind wir wieder in der Spur, die Infusionen laufen durch wie geschmiert, der Port-Cop beschießt den Drecksack, ich schaue mir stimmungsvolle Adventslaternen-Bildchen im LandZauber an, den mir Ma Baker für finstere Stunden geschenkt hat, und es geht zur Sonografie ins Brustzentrum. Euphorisch reiße ich mir sämtliche Oberteile vom Leib und werfe mich halbnackt auf die Liege. Die Ärztin beginnt, mit ihrem Sonoding auf meiner linken Brust herumzufahren, sie fährt und fährt und fragt schließlich irritiert: „Wo ist der denn?!“ Das werte ich schon mal als gutes Zeichen. Sie rollt zurück zum Schreibtisch und bespricht mit der Assistenzärztin, auf wie viel Uhr der Drecksack denn genau sitzen solle: drei, zwei, eins, zwölf? Ich werfe „Eins!“ in die Runde, „der sitzt auf ein Uhr!“ Endlich wird sie fündig und fängt an zu messen. Der Zwischenbefund treibt mir schier Tränen in die Augen: Das Drecksding ist von 5 x 3 Zentimetern auf sage und schreibe 2 x 1,8 Zentimeter geschrumpft – nach zweieinhalb mal Chemo. Wie wunderbra!

Ich bin ebenso beeindruckt ob des medizinischen Fortschritts im Allgemeinen wie überglücklich im Speziellen. Das Kollektiv hat ganze Arbeit geleistet: Der Port, Doc Huhn (stellvertretend für das Team der Lingendinger Frauenklinik) sowie die gesamte Wunderbra-Gemeinde, die den Drecksack seit Wochen mental vermöbelt und zum Teufel jagt, haben selbigem offenbar gezeigt, wo die Wurst steht, und ihn bis hierhin schon mal erfolgreich assimiliert. Und der Rest kommt auch noch. Widerstand ist zwecklos, go to hell!

7 Kommentare

  1. @Ma: Ich fürchte, in Phase 2 wird nicht nur dem Drecksack Hören und Sehen vergehen… Und selbst wenn die „LandZauber“ selbigen nicht in Flucht geschlagen haben sollte, hilft sie jedenfalls mir beim Oben-Bleiben. Für die morgige Hinrichtung habe ich noch die ganze zweite Hälfte :D!

  2. Dem Schrumpfsack wird Hören und Sehen vergehen, wenn Du auf Phase 2 gehst!
    Frage mich, ob ihm nicht auch die Landzauber-Laternen derartig Angst gemacht haben, dass er vor Schreck eingegangen ist.
    Werde für Nachschub sorgen!

  3. oh backe, das ist doch eine steile Karriere: vom Drecksack über’n Schrumpfsack direkt zum Lachsack! Ein dreifaches Schapoooooh auf die von der Lingendinger Frauenklinik und natürlich auf die aktuelle!!!

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