Vier Wochen Anschlussheilbehandlung im schönen Schnallgäu, Ego-Hedonismus satt sowie die „5 Säulen der Onkologischen Rehabilitation“ liegen hinter mir und ich sehe allmählich wieder etwas Licht am Ende des Onko-Tunnels. Nach etwa vierzehn Tagen des täglichen Durchaktiviertwerdens melden sich erste Lebensgeister zurück, in der dritten Woche ziehe ich eine Rückkehr zu Haushalt und Brut in Erwägung, und gegen Ende der AHB halte ich gar meine berufliche Wiedereingliederung für nicht mehr gänzlich ausgeschlossen.
Oma zieht blank
In der Retrospektive waren meine Reha-Favis: die ortsansässige Flora und Fauna, das Wasserballett, der Besuch aus Lingendingen sowie zwei Omas, die in den verschiedenen Therapieangeboten immer wieder für herzerfrischende Überraschungen sorgten. Mit Oma 1 saß ich beim „Mentalen Aktivierungstraining“, um unsere Onko-Brains auf Vordermann zu bringen, da Chemotherapie, Narkotika und Stress gerne auch deutliche Spuren im Hippocampus hinterlassen. Die Ergotherapeutin erklärte uns, dass wir unseren „Arbeitsspeicher“ erhöhen sollten, der sich wiederum aus „Merkspanne“ und „Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit“ zusammensetzt, und legte uns einen Zettel mit dem „Buchstaben-Spurt“ vor (s. Bild). Auf diesem sollten wir nun im Stillen so schnell wie möglich mit unseren Zeigefingern das Alphabet nachtippen, im ersten Durchgang vorwärts, im zweiten rückwärts. Nach etwa zwei Minuten Stillarbeit meldete sich Oma 1 und fragte, ob die Reihenfolge der Buchstaben egal wäre. Vermutlich hatte sie sich die ganze Zeit nach dem Sinn dieser bekloppten Übung gefragt.
Oma 2 zeichnete sich durch besonders viel Freude an den sportlichen Betätigungen aus. Sollten wir bei der Wirbelsäulengymnastik langsam auf unseren Sitzbällen mit den Hüften kreisen, hüpfte sie auf ihrem Ball heftig federnd auf und ab, strahlte mich an und sagte: „Das macht mir immer am meisten Spaß!“ Eine Teilnehmerin aus dem Ergometertraining indes berichtete, dass, als sie die Pulsmessbänder unter ihren Sport-BHs befestigen sollten, Oma 2 die Gruppe überraschte, indem sie ihr T-Shirt, unter dem sie nichts trug, hochzog und sich das Messband beherzt direkt unter den vollen Busen klemmte.
Back to Life
Am letzten Wochenende zieht Chéri bis zum Ende meiner AHB in die Ferienwohnungsbausünde direkt neben meiner Klinik ein und wir absolvieren noch einen kleinen Kurzurlaub (s. Galerie unten), bevor der Klinikchef uns alle mit einer unterirdischen Abschiedsrede in die Welt entlässt und es zurück an die Heimatfront geht. Die Landung im Alltag nach wochenlanger professioneller Betüddelung („Darf es noch ein bisschen Kaffee sein? Darf ich das Essen schon bringen?“) ist nicht ganz ohne. Ich mache einen Großeinkauf mit dem Fahrradanhänger, koche für zwei Tage vor, lasse mich von Hotti und Lotti im Zeitraffer auf den neuesten Stand bringen und von Hotti fragen, ob ich jetzt eigentlich weiterhin die ganze Zeit auf dem Sofa liegen würde oder ob die Küche nun wieder als Wohnzimmer nutzbar wäre. Ich sichte Papierkram, organisiere Vor- und Nachsorgetermine, regle die Wiedereingliederung in meinem Lieblingszirkus an, drehe der Herrgöttin buchstäblich zwischen Tür und Angel eine Zecke aus der Achselhöhle und fahre am Ende der Woche zur Beerdigung von Chéris Mutter, was trotz des traurigen Anlasses zumindest eine schöne Gelegenheit ist, nach langer Zeit mal wieder die Hundertschaften von La Familia zu sehen. Back to life, back to reality.
Ausklang und Heimreise:
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Klasse Bilder!