Resilienz rules oder: Emotionen Pause machen

Wir schaffen das!
Wir schaffen das!

Corona und Krebs sind eine ätzende Kombination. Besonders für Hotti und Lotti ist der derzeitige Zustand eine ziemliche Zumutung: Sie sind Teenager*innen und wollen raus, feiern und Spaß haben. Statt Leichtigkeit und Unbeschwertheit heißt es jedoch: Rücksicht, Zurückhaltung, Vernunft und Kontrolle. Doch auch jenseits der speziellen Lage im Hause aktuelle dürften wir uns wohl alle darin einig sein, dass 2020 nicht das glanzvollste aller Jahre ist. Umso wichtiger ist es, die eigene mentale und psychische Grundkonstitution regelmäßig auf Vordermann zu bringen und so langfristig zu stählen. Um also in der gegenwärtigen Krise, die sich mutmaßlich noch eine ganze Weile ziehen wird, wenigstens einige unserer Tassen im Schrank zu behalten, habe ich als hauseigene Bundesregierung ein entsprechendes Maßnahmenpaket geschnürt, das ich seit Wochen sukzessive umsetze und gerne der Allgemeinheit als Basis für die persönliche Glücksforschung zur Verfügung stellen möchte.

Gönn Dir!

Millionen Chines*innen können nicht irren, wenn sie sagen „Es ist besser, ein Licht zu entzünden, als über die Dunkelheit zu klagen“, und so zünden Hotti, Lotti und ich nicht nur ab nachmittags allerorten Kerzen an, sondern arbeiten neuerdings auch hart mit dem Belohnungsprinzip. Für schulische Glanzleistungen bekommen die beiden regelmäßig Mandelhörnchen oder Quarkteig-Fledermäuse/-Nikoläuse vom Lieblingsbäcker, für erledigte Haus- und Haushaltsaufgaben winkt ein Einkaufsausflug in den geliebten Flohmarktladen, für ein Abenteuer in der Nuklearmedizin eine Boombox. Bis zum Lockdown gingen wir mit Fanta und deren Brut montags fett essen, alleine schon, weil wir den Montag geschafft hatten. Mittlerweile bestellen wir mittwochs Pizza, zum einen, um die bewältigte Wochenhälfte zu feiern, und zum anderen, um so auch noch die hiesige Gastronomie zu unterstützen. Darüber hinaus cheerleaden wir uns natürlich alle ständig gegenseitig: „Sagenhaft, wie Du Dich aufs Abi vorbereitest!“, „Wahnsinn, Du kapierst das amerikanische Wahlsystem!“, „Hammer, schon die vierte Chemo und Du lebst noch!“ Um mein eigenes Nerven- und Immunsystem und das meiner Freund*innen nicht bei unnötigen Einkaufstouren zu verschleißen, gönne ich mir selbst ein wöchentliches Gemüsekisten-Abo. Lotti hingegen, die aufgrund der lockdownbedingten Schließung des Zirkus Cannelloni Schwarz trägt, spendiere ich ein paar Gitarrenstunden bei der Nachbarin.

Erbauungsmediensammlung

Auch der passende Soundtrack ist in Krisenzeiten eine nicht zu unterschätzende Größe. Als Durchhaltehymnen empfehle ich „Eye of the Tiger“ (von Survivor, sic!), „Immer wieder kommt ein neuer Frühling“ und ganz besonders „Emotionen Pause machen“. Literarisch rate ich zu Tomte Tummetott, den dadaistischen Kurzgeschichten von Erwin Moser oder wahlweise Vogonengedichten. Resilienzratgeber dagegen, die momentan Hochkonjunktur haben, lassen wir schön im Regal stehen, zu groß ist der Optimierungsdruck, zu gering der Spaßfaktor: „Resilienz – Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft“, „Machen Sie sich krisenfest!“, „Das Hindernis ist der Weg“, „Ab heute stresst mich gar nichts mehr“, um nur einige zu nennen. Auch herkömmliche Nachrichten sind wohldosiert einzusetzen und am besten zu kombinieren mit Good News, einem Nachrichtenkanal zur Unterstützung des körpereigenen Optimismussystems.

In der Sektion Bewegte Bilder geben „Tatortreiniger“, „Mord mit Aussicht“, „Lucifer“ oder „Terminator“ (Sarah Connor beim Durchhalten zusehen) viel her, Tiervideos gehen ohnehin immer. Hier einige unserer Top-Favoriten:

Die unglaublichsten Freundschaften zwischen Tieren

Kakadu tanzt „What is love“

Paradiesvogel beim Balzen

Japanese Puffer Fish baut ein Mandala

Um Hottis und Lottis Serotoninspiegel stabil zu halten, plane ich für die kommenden Wintermonate – Gipfel der Dekadenz – zudem ein Streaming-Abo. Mein lokaler Videothekdealer, zu dessen letzten Kund*innen ich vermutlich gehöre, möge es mir angesichts der außergewöhnlichen Umstände nachsehen.

Trump in Zwangsjacke

Jenseits des Medienkonsums gibt es natürlich noch etliche weitere Betätigungsfelder, um sich selbst robust, durabel und widerstandsfähig zu halten. Hier eine wilde Sammlung, die unter anderem auf Umfragen im Freund*innenkreis zurückgeht: unvernünftig viel Nachtisch essen; Bratäpfel mit Vanillesoße machen, dazu Kakao mit Sahne reichen; Kekse backen; Schlafanzüge kaufen; Sonnenuntergänge anschauen und danach direkt ins Bett gehen; elementare Dinge wie Bewegung, frische Luft, Plaudereien mit Freund*innen, schlafen, schnuckeln; sich eine Katze auf den Bauch binden; puzzeln; aufhören zu hadern (inschallah); eine Kakteensammlung anschaffen und ihrem Beispiel an Anspruchslosigkeit und Ausdauer folgen; Ausflüge mit Paarhufern unternehmen; Wunderbra lesen; Wunderbra schreiben; eine Reha machen und sich mal nur um sich selbst drehen; eine Feuerschale im Garten installieren; Wartungsberichte von Flugzeugen lesen; sich an eine laufende Waschmaschine kuscheln (Polyvagaltherapie); eine Weltkarte aufhängen und sich darüber kaputtlachen, wo und wie die Kinder und man selbst bestimmte Länder vermuten („Whaaat?? Japan is‘ ’ne Insel???“); töpfern; Specksteinskulpturen mit abgefahrenen Titeln kreieren („Vier Schlangen beten ein Emoji an“, „Trump in Zwangsjacke“); an der Work-Life-Balance feilen und die „Gilmore Girls schauen (besser spät als nie); umziehen; reiten; in der Werkstatt abtauchen; Frühlingsblumenzwiebeln versenken; eine halbe Stunde glasig gucken; Pläne für das nächste Jahr schmieden (HA!).

Die wichtigsten Aphorismen

Ansonsten gelten die oben genannten Maßnahmen selbstverständlich auch sämtlich für Teenager*innen, können können für diese Zielgruppe jedoch erweitert werden um beispielsweise stundenlange Badezimmersessions, Haarkuren mit Apfelessig-Minze-Tinkturen, Gesichtspackungen mit Apfelessig-Heilerde („FÜHL mal, wie WEICH!“), jeden Finger- und Fußnagel in einer anderen Farbe lackieren, noch mehr Musik hören, noch mehr Serien glotzen, noch mehr Nachtisch essen, auch und gerade zum Frühstück.

Den ganz Abgeklärten unter uns, welche die oben zum besten gegebenen Ratschläge bereits selbst und mehrfach erfolglos angewandt haben und sich nach wie vor die Haare raufen, möchte ich abschließend noch folgende tröstliche Aphorismen ans Herz legen:

The difference between fiction and reality is that fiction has to make sense.

Don’t despair at the absurd – go with it.

Das Leben ist eine Phase.

Und nun, liebe Gemeinde, lasst uns gemeinsam die Raute machen und inbrünstig ins Universum schmettern: WIR SCHAFFEN DAS!

8 Kommentare

  1. Lieber jokoloko, zur Release-Party seid Ihr alle selbstverständlich eingeladen! Damit warten wir aber, bis die Dinge sich wenigstens ansatzweise wieder normal benehmen.

    Ansonsten hier noch eine weitere Annehmlichkeit, die Laune macht: Pralinen verschenken, sich selbst und anderen (Merci, mon Chéri)!

  2. Liebe alle, wie schön, dass Ihr mitlest und mit der einen oder anderen Maßnahme etwas anfangen konntet :)! Die Wunderbra-Redaktion freut sich im Übrigen sehr, wenn Ihr eigene Ergänzungsvorschläge einbringt, auf die wir bisher noch nicht gekommen sind, Stichwort Schwarmglück, schließlich können wir bei aller Repräsentativität doch nicht alles abdecken. Viele Grüße und einen schönen Sonntag allerseits!

  3. Wieder mal großartig, erfrischend, genial und auf den Punkt gebracht. Immer wieder ein Fundus an Inspirationen aus dem Hause Wunderbra alias Hotti, Lotti und Co. In der Aktuellen besonders hervorzuheben „Emotionen Pause machen“ und „Immer wieder kommt ein neuer Frühling“… Flashback mit lalalalaschallala! Love it. Daaanke-:)

  4. Nachtisch zum Frühstück, eine tolle Idee! Ich glaube, diesen Ratschlag setzten wir heute gleich um. Danke für die tollen Ideen und für diesen Beitrag. Es ist herzerwärmend, von euch zu lesen.

    Liebe Grüße
    Tamar mit Mann, Kindern und Hund (:

  5. Liebe Anja, es fühlt sich richtig gut an, das alles von Dir zu lesen! Vor allem den Tipp mit dem „Umziehen“ beherzigen wir immer noch. Heute sind wir ein großes Stück vorwärts gekommen. Ich hätte niemals gedacht, dass all die Pflanzen und Kübel, die Tanja aus dem Garten mit ungezogen hat, auf unseren Balkon passen, aber die haben gepasst und es sieht richtig gut aus.

    LG Peter

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